Trittsicherheit ist unseren Vierbeinern in vielen Fällen zumindest zum Teil schon in die Wiege gelegt. Selbstverständlich kommt es hier sehr auf die Rasse an, ihre individuelle Entstehungsgeschichte und das Verbreitungsgebiet. Nicht umsonst stammen beliebte Wanderpferderassen ursprünglich aus mehr oder weniger unwegsamem Gelände in dem den Tieren schon immer ein gewisses Maß an Körper- und Balancegefühl abverlangt wurde. Und das auch schon von Kindesbeinen an.
Diese Rassen sind oft von kleiner bis mittlerer Größe, stabil gebaut, mit kurzem Rücken und starkem Röhrbein und genügsam von ihren Ansprüchen.
Aber die gute Nachricht ist: Balance und Trittsicherheit lassen sich ebenso in großem Maße üben und fördern. Es soll ja auch hier nicht um das ideale Wanderreitpferd gehen, sondern wie wir unseren liebgewonnenen Partner bestmöglich vorbereiten können. Naturgemäß wird sich vielleicht ein groß gewachsener Warmblüter oder ein schweres Kaltblut damit ein wenig schwerer tun am Anfang. Das soll aber nicht heißen, dass hier das Training vergebens ist oder aus einem Hannoveraner nicht auch ein gutes, trittsicheres Geländepferd werden kann.
Was kann ich jetzt also tun um die Geländegängigkeit meines eigenen Vierbeiners zu trainieren? Da gibt es mehr oder weniger nur eine Antwort: raus ins Gelände und so viele unterschiedliche Erfahrungen, Untergründe, Gegebenheiten und Situationen wie möglich kennen lernen und üben.
Sowohl mit sehr jungen Pferden als auch mit noch nicht so gut eingespielten Teams oder Rössern, die bisher leider hauptsächlich Reitplatz oder Halle gesehen haben würde ich das am Anfang hauptsächlich an der Hand machen. Hier werden Kommunikation, Vertrauen und Zusammenspiel gefördert und man wächst durch gemeinsam gemeisterte Situationen zusammen.
Ich verwende dafür sehr gerne ein Knotenhalfter und einen sehr langen Strick (etwa 3,5 m) mit einem Knoten oder Bommel am Ende, der dafür sorgt, dass mir der Strick nicht versehentlich durch einen kurzen Ruck aus der Hand gezogen wird.
Das gibt mir die Chance eben NICHT schon zwei Meter vor dem Pferd zu stehen, wenn dieses am Hang ins Rutschen gerät oder schon einmal selbst den Bach zu überqueren wenn das Hasenherz hinter mir noch zaudert.
Auf einem längeren Wanderritt laufe ich grundsätzlich auch immer wieder größere Strecken zu Fuß. Auch hier kommt es mir zu gute wenn wir auch am Boden ein gut abgestimmtes Team sind und das Pferd zum Beispiel gelernt hat sich am durchhängenden Strick meiner Geschwindigkeit anzupassen und Abstand zu halten. Und auch hier führe ich übrigens so gut wie immer am Halfter. Deswegen haben meine Zügel auch vorne einen Karabiner, damit ich sie schnell ausklinken und in den Halfterring einklinken kann. Gerade bei unwegsamen Geländesituationen hat man sonst schnell mal das Pferd unangenehm oder sogar schmerzhaft im Maul gerissen und vielleicht sogar aus dem Gleichgewicht gebracht.
Sobald man sich halbwegs sicher fühlt sollte man aber dann auch anfangen das Gelände vom Pferderücken aus unsicher zu machen. Selbst wenn man noch recht am Anfang steht, so kann man doch schon verschiedene Untergründe austesten. Wiese, Waldboden, Teer, Schotter, mit dem passenden Hufschutz braucht man nichts auszulassen. Im Zweifelsfall kann man auf großer Tour auch nicht immer jede unangenehme Stellen vermeiden. Verschiedenes Geläuf trainiert nebenbei auch den Bewegungsapparat mit Sehnen, Bändern und Gelenken. Grundsätzlich sind Bergab-Strecken für das Pferd schon fast anstrngender als bergauf. Auch die Gelenke werden hier mehr beansprucht. Um so wichtiger ist es im Schwerpunkt zu sitzen (das bedeutet bergab: leicht nach hinten gelehnt, so daß der Oberkörper im Lot ist) oder bei längeren Passagen abwärts abzusteigen und selbst zu laufen.
Wenn ich reite erlaube ich dem Pferd hierbei auch weiterhin seinen Weg selbst zu finden und gebe nur Richtung und Geschwindigkeit vor und nicht jeden einzelnen Schritt. Nur so kann es eigenständig zum Wegfinder und Problemlöser werden. Ich möchte ja auch bei einem Tagesritt nicht die ganze Zeit darauf achten müssen, wo das Pferd hin tritt, sondern gebe ihm ein gewisses Maß von Eigenverantwortung für uns beide. Auch dadurch wächst die beiderseitige Vertrauenbasis, die nicht nur vom Pferd fordert, meinen Entscheidungen zu vertrauen, sondern auch von mir, seinen Fähigkeiten.
Im nächsten Schritt werden alle dem aktuellen Level angepassten Geländegegebenheiten mit eingebaut. Steigungen und Gefälle, kleine Böschungen und Gräben, Bäume um die man Slalom reiten kann, Bäche, einfach alles was einem unter kommt. Dort wo es erlaubt ist gehe ich auch gerne querfeldein oder durch den Wald und übersteige am Boden liegende Äste und Baumstämme.
Dabei höre ich immer auf mein Bauchgefühl, wofür wir uns in der Lage fühlen. Im Zweifel steige ich auch ab oder beschließe, dass diese Situation für uns noch zu heftig ist und umgehe sie. Es ist wichtig hier in sich hinein zu hören. Man sollte sich weder überfordern, wenn man Angst hat, denn das führt zu gefährlichen Situationen. Genauso wenig sollte man aber bei jeder kleinen Schwierigkeit kneifen, sondern durchaus auch mal an die Grenze gehen und etwas wagen. Sehr oft klappt etwas besser als erwartet und man kann wieder ein gemeinsames Erfolgserlebnis verbuchen.
In jedem Fall gilt: habe ich eine Herausforderung mal begonnen, so ziehe ich sie auch durch. Nur im absoluten Ausnahmefall breche ich ab, denn auch das ist ein Lerneffekt für das Pferd, und den will ich so eigentlich nicht… deswegen gehe ich manche Sachen, von denen ich weiß, dass es ein Problem werden kann, zum Beispiel nicht an, wenn ich keine Zeit habe oder mit einer Gruppe unterwegs bin, die ich sonst in Aufruhr bringen würde.
Je besser man schon durch Ausbildungsstand und Training in der Lage ist, das Gewicht des Pferdes auf die Hinterhand zu verlagern, desto souveräner wird es Geländeschwierigkeiten meistern können. Ebenso wichtig wie die dadurch aufgebaute Balance ist auch der möglichst zügelunabhängige Sitz des Reiters, damit das Pferd seinen Hals als Balancierstange nutzen kann ohne durch Zügeleinwirkungen aus dem Gleichgewicht gebracht zu werden. Im Idealfall gebe ich dem Pferd in schwierigen Situationen den Zügel weitestgehend hin um ihm maximale Bewegungsfreiheit zu ermöglichen. Dazu müssen die Zügel auch entsprechend lang genug sein, damit ich das tun kann, und mich nicht nach vorne beugen und so den Schwerpunkt verändern muss um vorne genug "Luft" geben zu können.
Auch wenn ich das Gelände in jedem Fall für die beste Trainingsumgebung halte, so gibt es doch auch auf dem Platz einige Dinge, die man unterstützend tun kann.
- Klassische Stangenarbeit. Hier lernt das Pferd Trittlängen einzuschätzen und wo es seine Füße hin setzen muss. Ich habe mit einer Stange gestartet und dann langsam gesteigert mit den passenden Abständen für die verschiedenen Gangarten. Sowohl beim Longieren, bei der Equikinetik und auch vom Sattel können Stangen das Training wahlweise ergänzen oder man setzt hier den Schwerpunkt. Später können die Stangen auch etwas hoch gesetzt werden oder man verwendet Cavaletti.
- Stangenmikado. Viele Stangen willkürlich übereinander würfeln und dann das Pferd darüber steigen lassen. Mit steigenden Fähigkeiten auch mitten im Haufen anhalten, die Richtung wechseln oder drehen und dann wieder anreiten.
- Dem Pferd beibringen bei Antippen an der Schulter von vorne auf mich zu zu kommen. Ich stehe dabei frontal vor dem Pferd, mache mich etwas klein und tippe es mit Gerte oder dem Strick leicht von außen an der Schulter an. Ziel ist, dass es daraufhin auf mich zu kommt. Diese Kommando konnte ich wirklich schon oft in allen möglichen Situationen gebrauchen.
- Rückwärts durchs Stangen-L manövrieren oder seitwärts über Stangen treten
Zu guter letzt möchte ich noch die vielorts zumindest in erreichbarer Nähe gelegenen Extrem-Trail Plätze erwähnen. Hier kann man zusätzlich einige Hindernisse vorfinden, die es so vermutlich in der Natur nicht geben wird (Wippe, Schwebebalken,...) die aber auch eine tolle gemeinsame Erfahrung sind. Es macht einfach Spaß, sich hier mal auszutesten und selbst herauszufordern, am Besten dann noch in iner gleichgesinnten Gruppe mit einem geduldigen Trainer, der einem weitere Tipps geben kann.